Aus gegebenen Anlass haben wir unseren Beitrag vom 08.03.2020 samt erstem Update vom 09.04.2020 nochmals überarbeitet und erweitert.
I. Wer ist mein Ansprechpartner?
Bei Beantwortung dieser Frage ist zwischen einer Pauschal- und einer Individualreise zu unterscheiden. Die Definition der Pauschalreise findet sich im Pauschalreisegesetz (kurz: PRG). Primär versteht man unter einer Pauschalreise eine Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise, wenn diese Leistungen von einem Unternehmer auf Wunsch oder entsprechend einer Auswahl des Reisenden vor Abschluss eines einzigen Vertrags über sämtliche Leistungen zusammengestellt werden. Der klassische Fall ist daher die Buchung einer Reise über das Reisebüro, bei welchem sogleich Flüge, Hotel und Transport in Einem gebucht werden. Aber auch bei einer Online-Buchung liegt oft eine Pauschalreise vor. Weitere im Gesetz definierte Fälle werden ebenfalls als Pauschalreise gesehen.
Der Anwendungsbereich des PRG erstreckt sich nicht nur auf das Verhältnis Unternehmer – Verbraucher (B2C), sondern auch auf Unternehmergeschäfte (B2B) wie insbesondere Dienstreisen.
Bei einer Individualreise werden im Gegensatz zur Pauschalreise Flüge, Hotel und Transport etc. jeweils separat gebucht. Unter die Kategorie der Individualreise fallen daher auch unterschiedliche Vertragstypen.
Im Falle einer Pauschalreise ist der Reiseveranstalter Ihr einziger Vertrags- und somit auch Ansprechpartner, sodass Sie auch ausschließlich gegenüber diesem den Rücktritt erklären müssen. Hingegen müssen Sie bei einer Individualreise mit jedem Ihrer Vertragspartner (Fluggesellschaft, Hotel etc.) verhandeln bzw gegenüber jedem Vertragspartner den Rücktritt erklären.
II. Pauschalreise
Gemäß § 10 Abs 2 PRG kann der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung (= Stornogebühr) vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen (Anzahlung etc.), nicht aber auf eine zusätzliche Entschädigung.
Bei der gegenständlichen Covid-19-Pandemie handelt es sich wohl unstrittig um einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand, sodass ein kostenloses Rücktrittsrecht besteht, zumal in den Gesetzesmaterialien zum PRG der Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel explizit als Beispiel angeführt wird. Der Reisende kann also zurücktreten, eine Vertragsanpassung, etwa in Form einer Umbuchung oder angebotener Gutscheine, muss nicht akzeptiert werden.
Wesentlich ist dabei jedoch der Zeitpunkt der Ausübung dieses Rücktrittsrechtes. Der Reisende darf keinesfalls vorschnell seinen Rücktritt von der Reise erklären, da in diesem Fall ein Rücktritt nur nach den jeweils im Einzelfall geltenden Stornobedingungen möglich ist. Es empfiehlt sich daher, die weitere Entwicklung abzuwarten. Sollte sodann 2 – 3 Wochen vor der geplanten Reise am Bestimmungsort (dem Reiseziel) oder in dessen unmittelbarer Nähe weiterhin ein unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand vorliegen, kann grundsätzlich kostenlos der Rücktritt erklärt werden. Wesentlich ist also, keinesfalls „vorschnell“ den Rücktritt zu erklären.
Nach dem PRG hat der Reisende auch dann ein kostenfreies Rücktrittsrecht, wenn ihm der Reiseveranstalter eine Umbuchung auf eine gleichwertige Ersatzreise anbietet. Wesentlich ist weiters, dass dem Reisenden dieses Rücktrittsrecht nur dann zukommt, wenn die Umstände, die der Reisende geltend macht, am Bestimmungsort (Urlaubsort) oder in dessen unmittelbarer Nähe auftreten. Im gegebenen Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie muss daher immer die aktuelle Situation im Urlaubsziel vor Ausübung des Rücktrittsrechts geprüft werden.
III. Individualreise
Ein kostenloser Rücktritt könnte bei einem sogenannten „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ möglich sein. Gehen die Parteien bei Vertragsabschluss selbstverständlich vom Bestehen, (unveränderten) Fortbestehen oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände im Vertragsumfeld aus und werden sie in ihrer Erwartung enttäuscht, ohne für diesen Fall vertraglich eine Regelung vorgesehen zu haben, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen dieser Umstandsänderung auf den Vertrag. Eine Pandemie am Urlaubsort kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen, sodass ein kostenloser Rücktritt möglich sein könnte.
Wesentlich ist jedenfalls, dass die „Buchung“ der Reise in eine betroffene Region bereits vor dem „Ausbruch“ des Virus in dieser konkreten Region erfolgte, andernfalls keine überraschende Änderung der Umstände mehr vorliegen würde. Wenn also das Reiseziel in einem von der Covid-19-Pandemie betroffenen Gebiet liegt und die „Buchung“ der Reise bereits vor dem „Ausbruch“ erfolgte, kann meines Erachtens – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – grundsätzlich der Rücktritt vom jeweiligen Vertrag erklärt werden. Allerdings ist zu beachten, dass bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage primär eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist. Im Rahmen der Vertragsanpassung könnte dem Reisenden daher sogar ein Wechsels des Reiseziels zumutbar sein, wenn das alternative Reiseziel in etwa dem ursprünglichen entspricht. Ist die Umbuchung unzumutbar, kann der Reisende vom Vertrag ohne Stornogebühren zurücktreten; bereits geleistete Anzahlungen können zurückgefordert werden.
Dies allerdings nicht bereits Monate vorher, sondern erst zeitnahe vor Antritt der Reise, da die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Reiseantritts entscheidend sind. Eine offizielle Reisewarnung ist für einen Rücktritt grundsätzlich keine Voraussetzung.
Sondergesetzliche Bestimmungen können für die gebuchten Flüge gelten. Die Ausbreitung des Coronavirus hat dazu geführt, dass nahezu alle Airlines den Flugbetrieb vorübergehend eingestellt bzw massiv reduziert haben. Infolgedessen werden zahlreiche Flüge nicht durchgeführt. Wenn der jeweilige Flug in einem Mitgliedsstaat der EU angetreten oder von einer in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Fluggesellschaft ausgeführt worden wäre, kommen die Regelungen der EU-Fluggastrechteverordnung (VO 261/2004/EG) zur Anwendung.
Wenn ein geplanter Flug nicht durchgeführt wird (Nichtbeförderung) liegt eine Flugannullierung iSd Art 2 lit l Fluggastrechte-VO vor. Nach Art 8 der Fluggastrechte-VO kann der Reisende die vollständige Erstattung des Flugpreises verlangen oder wahlweise eine anderwärtige Beförderung in Anspruch nehmen. Eine Umbuchung ohne Zustimmung des Reisenden ist nicht zulässig
IV. Kann ich bei Abschluss einer Stornoversicherung kostenlos zurücktreten?
Grundsätzlich ist diese Frage abhängig von den Vertragsbedingungen der jeweils abgeschlossenen Stornoversicherung und somit von den Umständen des Einzelfalls. Allerdings „greifen“ Stornoversicherungen im Allgemeinen nur dann, wenn Sie selbst krank werden und eine entsprechende Arztbestätigung vorliegt. Eine abgeschlossene Stornoversicherung wird daher nur in wenigen Fällen tatsächlich helfen.
V. Fazit:
Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann also unter bestimmten Voraussetzungen ein kostenloser Rücktritt von der geplanten Reise möglich sein. Aufgrund der großen Einzelfallbezogenheit sollte dies jedoch im Detail geprüft werden. Eine solche Prüfung übernehmen wird natürlich jederzeit gerne für Sie.
(c) RA Dr. Daniel Lassingleithner, LLM.oec.
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