Miete im Lockdown: Gastronom muss sich potentiellen Abholservice anrechnen lassen (OGH: 8 Ob 131/21d)

Miete im Lockdown: Gastronom muss sich potentiellen Abholservice anrechnen lassen (OGH: 8 Ob 131/21d)

Der OGH hat in der Entscheidung zu 3 Ob 78/21y – im Einklang mit den dort zitierten überwiegenden Lehrmeinungen und der bisherigen Rechtsprechung – ausgesprochen, dass die COVID-19 Pandemie als „Seuche“ im Sinne des § 1104 ABGB zu werten ist und aufgrund der Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote („Lockdowns“) für Geschäftsräume in Bestandobjekten zu deren Unbenutzbarkeit führen können.

Nach der bisherigen Rechtsprechung sind als außerordentliche Zufälle im Sinne des § 1104 ABGB elementare Ereignisse zu verstehen, die von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz verlangt werden kann. Diese Kriterien treffen, wie zuletzt in der Entscheidung zu 3 Ob 184/21m bekräftigt wurde, auch auf die COVID-19 Pandemie zu.

Der OGH hat sich nunmehr erstmals mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich der Lockdown auf die Miete von Gastronomiebetrieben auswirkt, wenn diese einen Liefer- und Abholservice anbieten konnten, das Geschäftslokal daher also zum Teil genutzt werden konnte.

Wird das Betreten von Geschäftslokalen behördlich untersagt, so kann dies naturgemäß dazu führen, dass gemietete Objekte (gänzlich) unbenutzbar sind und Mieter deshalb keinen Mietzins zahlen müssen. Bis dato blieb jedoch vom OGH noch unbeantwortet, welche Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen, wenn die in Bestand genommene Fläche trotz verordneten „Lockdowns“ nutzbringend verwendet werden kann.

Der OGH setzte sich in der am 25.01.2022 ergangenen Entscheidung zu 8 Ob 131/21d mit teils divergierenden Stimmen im Schrifttum auseinander. Der OGH kam zum Schluss, dass die Unbenutzbarkeit – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass die bestehende Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals begründet bzw. begründen kann. Demzufolge würde die Zinszahlungspflicht entsprechend §§ 1105, 1107 ABGB nicht zur Gänze entfallen, sondern nur im Ausmaß der tatsächlichen Nutzungseinschränkung (Restnutzen).

Gleichwohl steht dem Mieter der Einwand offen, dass die Etablierung eines bislang nicht betriebenen Liefer- oder Abholservice nicht sofort zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit würde jedenfalls dann vorliegen, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjektes trifft den Bestandnehmer. Daher muss auch der Bestandnehmer behaupten und beweisen, dass die Möglichkeit des Anbietens eines Liefer- und Abholservice im konkreten Fall gar keinen verbleibenden Gebrauchsnutzen gebracht hat.

Abschließend lässt sich festhalten, dass ein nachhaltiges Verlustgeschäft bei einem Luxusrestaurant in einer nicht viel frequentierten Lage wohl eher gegeben sein wird, als bei einem Fastfood-Restaurant in einem Einkaufszentrum.

Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls, sohin ob die Etablierung eines neuen Service (etwa Liefer- oder Abholservice) zumutbar ist oder nicht, sodass eine genaue Prüfung unerlässlich ist. Für eine solche stehen wir selbstverständlich jederzeit sehr gerne zur Verfügung.

© Mag. Philipp Holzapfel

Disclaimer: Diese Übersicht dient ausschließlich der unverbindlichen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung, weshalb hierfür auch keine Haftung übernommen werden kann.

Rücktritt vom Bauträgervertrag mangels fristgerechter Übergabe aufgrund Corona

Rücktritt vom Bauträgervertrag mangels fristgerechter Übergabe aufgrund Corona

Auch die Baubranche wurde von den Auswirkungen der sogenannten COVID-19-Erkrankung und der damit verbundenen Maßnahmen und Einschränkungen nicht verschont. Auf zahlreichen Baustellen kamen die Bauarbeiten gänzlich zum Erliegen. Infolgedessen können auch in Bauträgerverträgen vereinbarte Übergabetermine oftmals nicht eingehalten werden. Der vorliegende Beitrag von Dr. Daniel Lassingleithner, LLM.oec, erschienen in der Fachzeitschrift immolex (immolex 2020, 141) soll über die Rechtsfolgen informieren.

Hier gehts zum Beitrag.

 

Erneutes Update: Covid-19-Pandemie und Reiserecht

Erneutes Update: Covid-19-Pandemie und Reiserecht

Aus gegebenen Anlass haben wir unseren Beitrag vom 08.03.2020 samt erstem Update vom 09.04.2020 nochmals überarbeitet und erweitert.

I. Wer ist mein Ansprechpartner?

Bei Beantwortung dieser Frage ist zwischen einer Pauschal- und einer Individualreise zu unterscheiden. Die Definition der Pauschalreise findet sich im Pauschalreisegesetz (kurz: PRG). Primär versteht man unter einer Pauschalreise eine Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise, wenn diese Leistungen von einem Unternehmer auf Wunsch oder entsprechend einer Auswahl des Reisenden vor Abschluss eines einzigen Vertrags über sämtliche Leistungen zusammengestellt werden. Der klassische Fall ist daher die Buchung einer Reise über das Reisebüro, bei welchem sogleich Flüge, Hotel und Transport in Einem gebucht werden. Aber auch bei einer Online-Buchung liegt oft eine Pauschalreise vor. Weitere im Gesetz definierte Fälle werden ebenfalls als Pauschalreise gesehen.

Der Anwendungsbereich des PRG erstreckt sich nicht nur auf das Verhältnis Unternehmer – Verbraucher (B2C), sondern auch auf Unternehmergeschäfte (B2B) wie insbesondere Dienstreisen.

Bei einer Individualreise werden im Gegensatz zur Pauschalreise Flüge, Hotel und Transport etc. jeweils separat gebucht. Unter die Kategorie der Individualreise fallen daher auch unterschiedliche Vertragstypen.

Im Falle einer Pauschalreise ist der Reiseveranstalter Ihr einziger Vertrags- und somit auch Ansprechpartner, sodass Sie auch ausschließlich gegenüber diesem den Rücktritt erklären müssen. Hingegen müssen Sie bei einer Individualreise mit jedem Ihrer Vertragspartner (Fluggesellschaft, Hotel etc.) verhandeln bzw gegenüber jedem Vertragspartner den Rücktritt erklären.

II. Pauschalreise

Gemäß § 10 Abs 2  PRG kann der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung (= Stornogebühr) vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen (Anzahlung etc.), nicht aber auf eine zusätzliche Entschädigung.

Bei der gegenständlichen Covid-19-Pandemie handelt es sich wohl unstrittig um einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand, sodass ein kostenloses Rücktrittsrecht besteht, zumal in den Gesetzesmaterialien zum PRG der Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel explizit als Beispiel angeführt wird. Der Reisende kann also zurücktreten, eine Vertragsanpassung, etwa in Form einer Umbuchung oder angebotener Gutscheine, muss nicht akzeptiert werden.

Wesentlich ist dabei jedoch der Zeitpunkt der Ausübung dieses Rücktrittsrechtes. Der Reisende darf keinesfalls vorschnell seinen Rücktritt von der Reise erklären, da in diesem Fall ein Rücktritt nur nach den jeweils im Einzelfall geltenden Stornobedingungen möglich ist. Es empfiehlt sich daher, die weitere Entwicklung abzuwarten. Sollte sodann 2 – 3 Wochen vor der geplanten Reise am Bestimmungsort (dem Reiseziel) oder in dessen unmittelbarer Nähe weiterhin ein unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand vorliegen, kann grundsätzlich kostenlos der Rücktritt erklärt werden. Wesentlich ist also, keinesfalls „vorschnell“ den Rücktritt zu erklären.

Nach dem PRG hat der Reisende auch dann ein kostenfreies Rücktrittsrecht, wenn ihm der Reiseveranstalter eine Umbuchung auf eine gleichwertige Ersatzreise anbietet. Wesentlich ist weiters, dass dem Reisenden dieses Rücktrittsrecht nur dann zukommt, wenn die Umstände, die der Reisende geltend macht, am Bestimmungsort (Urlaubsort) oder in dessen unmittelbarer Nähe auftreten. Im gegebenen Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie muss daher immer die aktuelle Situation im Urlaubsziel vor Ausübung des Rücktrittsrechts geprüft werden.

III. Individualreise

Ein kostenloser Rücktritt könnte bei einem sogenannten „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ möglich sein. Gehen die Parteien bei Vertragsabschluss selbstverständlich vom Bestehen, (unveränderten) Fortbestehen oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände im Vertragsumfeld aus und werden sie in ihrer Erwartung enttäuscht, ohne für diesen Fall vertraglich eine Regelung vorgesehen zu haben, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen dieser Umstandsänderung auf den Vertrag. Eine Pandemie am Urlaubsort kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen, sodass ein kostenloser Rücktritt möglich sein könnte.

Wesentlich ist jedenfalls, dass die „Buchung“ der Reise in eine betroffene Region bereits vor dem „Ausbruch“ des Virus in dieser konkreten Region erfolgte, andernfalls keine überraschende Änderung der Umstände mehr vorliegen würde. Wenn also das Reiseziel in einem von der Covid-19-Pandemie betroffenen Gebiet liegt und die „Buchung“ der Reise bereits vor dem „Ausbruch“ erfolgte, kann meines Erachtens – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – grundsätzlich der Rücktritt vom jeweiligen Vertrag erklärt werden. Allerdings ist zu beachten, dass bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage primär eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist. Im Rahmen der Vertragsanpassung könnte dem Reisenden daher sogar ein Wechsels des Reiseziels zumutbar sein, wenn das alternative Reiseziel in etwa dem ursprünglichen entspricht. Ist die Umbuchung unzumutbar, kann der Reisende vom Vertrag ohne Stornogebühren zurücktreten; bereits geleistete Anzahlungen können zurückgefordert werden.

Dies allerdings nicht bereits Monate vorher, sondern erst zeitnahe vor Antritt der Reise, da die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Reiseantritts entscheidend sind. Eine offizielle Reisewarnung ist für einen Rücktritt grundsätzlich keine Voraussetzung.

Sondergesetzliche Bestimmungen können für die gebuchten Flüge gelten. Die Ausbreitung des Coronavirus hat dazu geführt, dass nahezu alle Airlines den Flugbetrieb vorübergehend eingestellt bzw massiv reduziert haben. Infolgedessen werden zahlreiche Flüge nicht durchgeführt. Wenn der jeweilige Flug in einem Mitgliedsstaat der EU angetreten oder von einer in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Fluggesellschaft ausgeführt worden wäre, kommen die Regelungen der EU-Fluggastrechteverordnung (VO 261/2004/EG) zur Anwendung.

Wenn ein geplanter Flug nicht durchgeführt wird (Nichtbeförderung) liegt eine Flugannullierung iSd Art 2 lit l Fluggastrechte-VO vor. Nach Art 8 der Fluggastrechte-VO kann der Reisende die vollständige Erstattung des Flugpreises verlangen oder wahlweise eine anderwärtige Beförderung in Anspruch nehmen. Eine Umbuchung ohne Zustimmung des Reisenden ist nicht zulässig

IV. Kann ich bei Abschluss einer Stornoversicherung kostenlos zurücktreten?

Grundsätzlich ist diese Frage abhängig von den Vertragsbedingungen der jeweils abgeschlossenen Stornoversicherung und somit von den Umständen des Einzelfalls. Allerdings „greifen“ Stornoversicherungen im Allgemeinen nur dann, wenn Sie selbst krank werden und eine entsprechende Arztbestätigung vorliegt. Eine abgeschlossene Stornoversicherung wird daher nur in wenigen Fällen tatsächlich helfen.

V. Fazit:

Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann also unter bestimmten Voraussetzungen ein kostenloser Rücktritt von der geplanten Reise möglich sein. Aufgrund der großen Einzelfallbezogenheit sollte dies jedoch im Detail geprüft werden. Eine solche Prüfung übernehmen wird natürlich jederzeit gerne für Sie.

(c) RA Dr. Daniel Lassingleithner, LLM.oec.

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