Der OGH hat in der Entscheidung zu 3 Ob 78/21y – im Einklang mit den dort zitierten überwiegenden Lehrmeinungen und der bisherigen Rechtsprechung – ausgesprochen, dass die COVID-19 Pandemie als „Seuche“ im Sinne des § 1104 ABGB zu werten ist und aufgrund der Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote („Lockdowns“) für Geschäftsräume in Bestandobjekten zu deren Unbenutzbarkeit führen können.
Nach der bisherigen Rechtsprechung sind als außerordentliche Zufälle im Sinne des § 1104 ABGB elementare Ereignisse zu verstehen, die von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz verlangt werden kann. Diese Kriterien treffen, wie zuletzt in der Entscheidung zu 3 Ob 184/21m bekräftigt wurde, auch auf die COVID-19 Pandemie zu.
Der OGH hat sich nunmehr erstmals mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich der Lockdown auf die Miete von Gastronomiebetrieben auswirkt, wenn diese einen Liefer- und Abholservice anbieten konnten, das Geschäftslokal daher also zum Teil genutzt werden konnte.
Wird das Betreten von Geschäftslokalen behördlich untersagt, so kann dies naturgemäß dazu führen, dass gemietete Objekte (gänzlich) unbenutzbar sind und Mieter deshalb keinen Mietzins zahlen müssen. Bis dato blieb jedoch vom OGH noch unbeantwortet, welche Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen, wenn die in Bestand genommene Fläche trotz verordneten „Lockdowns“ nutzbringend verwendet werden kann.
Der OGH setzte sich in der am 25.01.2022 ergangenen Entscheidung zu 8 Ob 131/21d mit teils divergierenden Stimmen im Schrifttum auseinander. Der OGH kam zum Schluss, dass die Unbenutzbarkeit – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass die bestehende Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals begründet bzw. begründen kann. Demzufolge würde die Zinszahlungspflicht entsprechend §§ 1105, 1107 ABGB nicht zur Gänze entfallen, sondern nur im Ausmaß der tatsächlichen Nutzungseinschränkung (Restnutzen).
Gleichwohl steht dem Mieter der Einwand offen, dass die Etablierung eines bislang nicht betriebenen Liefer- oder Abholservice nicht sofort zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit würde jedenfalls dann vorliegen, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjektes trifft den Bestandnehmer. Daher muss auch der Bestandnehmer behaupten und beweisen, dass die Möglichkeit des Anbietens eines Liefer- und Abholservice im konkreten Fall gar keinen verbleibenden Gebrauchsnutzen gebracht hat.
Abschließend lässt sich festhalten, dass ein nachhaltiges Verlustgeschäft bei einem Luxusrestaurant in einer nicht viel frequentierten Lage wohl eher gegeben sein wird, als bei einem Fastfood-Restaurant in einem Einkaufszentrum.
Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls, sohin ob die Etablierung eines neuen Service (etwa Liefer- oder Abholservice) zumutbar ist oder nicht, sodass eine genaue Prüfung unerlässlich ist. Für eine solche stehen wir selbstverständlich jederzeit sehr gerne zur Verfügung.
© Mag. Philipp Holzapfel
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