Fast täglich erreichen uns neue Anfragen von Mandanten in Bezug auf das Corona-Virus. Fragen, welche vor wenigen Wochen noch surreal erschienen, sind nunmehr relevant für sehr viele Rechtsbereiche.
Derzeit stehen sehr viele Bauunternehmen vor dem Dilemma, dass sie Baustellen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus schließen müssen. Dies hat naturgemäß zur Folge, dass die Wohnungen bzw. Häuser nicht zum vereinbarten Termin an die Käufer übergeben werden können. Es stellt sich daher die Frage, ob die Käufer gegenüber dem Bauträger bzw. dem jeweiligen Vertragspartner Schadenersatzansprüche (zB Mietkosten für Ersatzwohnung) geltend machen können.
Zunächst ist festzuhalten, dass der OGH im Jahre 2005 die Krankheit SARS als „höhere Gewalt“ eingestuft hat (vgl. 4 Ob 103/05h). Es ist daher durchaus berechtigt davon auszugehen, dass die neuartige „Covid-19“ Erkrankung ebenso als „force majeure“ einzustufen ist.
Grundsätzlich befindet sich der Bauträger im Schuldnerverzug, sofern er die Wohnung respektive das Haus nicht am vereinbarten spätesten Übergabetermin an den Käufer übergibt. Hierbei ist jedoch zwischen objektiven sowie subjektiven Schuldnerverzug zu differenzieren.
Trifft den Schuldner (Bauträger) kein Verschulden an der verspäteten Übergabe (zB aufgrund „höherer Gewalt“) befindet er sich im objektiven Schuldnerverzug. Im objektiven Schuldnerverzug hat der Gläubiger das Wahlrecht der verspäteten Leistungserbringung zuzustimmen oder vom Vertrag unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zurückzutreten. Dem Schuldner ist bezüglich der Nachfrist eine objektiv begrenzbare und deshalb auch realistische „Nachholchance“ zu eröffnen. Ob die Nachfrist angemessen ist, lässt sich daher nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen. (vgl. Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 918 Rz 34). Schadenersatzansprüche hat der Käufer beim objektiven Schuldnerverzug jedenfalls nicht.
Subjektiver Schuldnerverzug liegt dann vor, wenn der Schuldner (Bauträger) den Verzug verschuldet hat (vgl. Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 918 Rz 50). Wesentlich ist, dass der Käufer nur beim subjektiven Schuldnerverzug Schadenersatzansprüche hat.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es durchaus möglich erscheint, dass das Corona-Virus als ein Fall der „höheren Gewalt“ eingestuft wird und daher dem Bauträger kein Verschulden an der verspäteten Übergabe angelastet werden kann. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob das Corona-Virus tatsächlich kausal für die Leistungsverzögerung war bzw. ob ein sorgfältiger Unternehmer den Verzug verhindern hätte können. Eine solche übernehmen wir natürlich jederzeit gerne für Sie.
© Mag. Philipp Holzapfel
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